Weshalb Planks und Sit ups keine Rumpfübungen sind

21. Februar 2022

Von: Marc Streitenbürger, ASVZ-Trainingsleiter sowie Leiter Athletik Training bei Turicum Athletics; 
Koproduktion: Silvana Ulber, Leiterin Kommunikation ASVZ

Zu kaum einem anderen Trainingsaspekt finden sich mehr Inhalte in Magazinen oder auf sozialen Netzwerken und kaum eine andere Körperregion ist in der Trainingslehre ähnlich viel diskutiert wie der Rumpf und das Rumpftraining. Im Zentrum des Interesses von Sporttreibenden stehen dabei nicht nur leistungsorientierte Ziele, sondern auch Ästhetische. Wir fokussieren im Folgenden auf die Ersteren und zeigen auf, wie die Rumpfstrukturen aufgebaut sind, welche Funktionen sie haben und welche Trainingsformen tatsächlich eine Leistungsverbesserung und somit auch einen Übertrag auf unsere alltäglichen und sportartspezifischen Fähigkeiten mit sich bringen.

Wenn wir den menschlichen Bewegungsapparat genauer betrachten und auch die Eigenheiten der Strukturen einbeziehen, erkennen wir, dass die Strukturen der Körpermitte nicht dazu da sind, selbst grosse Kräfte zu erzeugen. Vielmehr haben sie die Aufgabe, die Kräfte aus der Schwerkraft – insbesondere von den Beinen erzeugt – zu nutzen, und effizient über die Hüfte zur Schulter und wieder zurück zu übertragen. Eine entscheidende Funktion bei diesem Übertrag kommt dem Bindegewebe zu, das Kräfte besser speichern und wieder abgeben kann, als es die Muskulatur kann. Während also den Extremitäten wie Armen und Beinen die Aufgabe der Krafterzeugung zukommt, ist es die Aufgabe der Rumpfmuskulatur das «Fine Tuning» der Kraftübertragung zu steuern; also die bereits erzeugten Kräfte optimal weiterzugeben.

Je grösser, desto besser?
Bedeutet das nun, dass das «Fine Tuning» verbessert und auf die Spitze der Effizienz getrieben werden kann, je grösser die Aktivität der Rumpfmuskeln ist? Nein, hier ist der Ausdruck «zu viel des Guten» ziemlich treffend. Denn zu viel Muskelaktivierung für eine bestimmte Aufgabe macht die Bewegung genauso ineffizient, wie zu wenig. Entscheidend dabei ist nicht primär die Intensität der Aktivierung, sondern das Timing. Die Rumpfstrukturen müssen zum richtigen Zeitpunkt aktiviert oder gehemmt werden. Nur mit einer optimalen Sequenzierung können sie ihre Funktion zielführend erfüllen. Dies ist die Grundlage von effizienter und effektiver menschlicher Bewegung.

Um dieses Prinzip noch besser verstehen zu können, nehmen wir uns das wahrscheinlich berühmteste und am besten untersuchte Prinzip der Trainingswissenschaft zu Hilfe: Das SAID-Prinzip (SAID = Specific Adaptations to Imposed Demands). Dieses sagt grundsätzlich nichts Anderes aus, als dass sich unser Körper immer genau jenen Reizen anpasst, denen er ausgesetzt wird. Nicht mehr und nicht weniger. Evolutionär gesehen macht das sehr viel Sinn, da Erfolg und Überleben jedes Lebewesens davon abhängen, wie gut es sich an seine Umwelt anpassen kann.

Im Trainingskontext konnte dies in den verschiedensten Settings und mit den unterschiedlichsten Probandengruppen immer wieder bestätigt werden: Wir werden genau in diesen Trainingsübungen besser, die wir trainieren. Auch der Umkehrschluss greift. Absolvieren wir Übungen, die wir nicht trainiert haben, sind wir darin meistens nicht besser geworden, sondern tendenziell sogar schlechter. Natürlich kommt es dabei auf unsere bereits bestehenden Fähigkeiten und das Trainingsniveau an, im Grundsatz stimmt die Tendenz jedoch.

Das SAID-Prinzip
Zur Veranschaulichung wird das SAID-Prinzip oft in folgende vier Kategorien gegliedert:

  1. Spezifität der Arbeitsweise (der Muskeln): Die Arbeitsweise beschreibt die Art der Muskelkontraktion (= aktive Verkürzung und Anspannen der Muskeln). Hierzu einige Beispiele: Wenn wir vor allem konzentrisch trainieren (Aufwärtsbewegung bei der Liegestütze), dann werden wir konzentrisch stärker; wenn wir vor allem exzentrisch trainieren (Abwärtsbewegung bei der Liegestütze), dann werden wir exzentrisch stärker; und wenn wir vor allem isometrisch trainieren (in der Mitte der Liegestütze pausieren und die Position halten), werden wir vor allem isometrisch stärker.
  2. Spezifität des Winkels: Die Spezifität des Winkels besagt, dass wir vor allem in den Winkeln stärker werden, in denen wir trainieren und nicht in denjenigen, in denen wir nicht trainieren. Auch dann, wenn es sich um den gleichen Muskel handelt.
  3. Spezifität der Geschwindigkeit: Wie schnell wir eine Bewegung ausführen, spielt eine sehr grosse Rolle betreffend anschliessender Anpassungen. Das Gehirn nutzt je nach Bewegungsgeschwindigkeit nämlich stets ein anderes Ansteuerungsmuster. Wenn wir eine hypothetisch genau gleiche Bewegung zwei Mal ausführen, einmal langsam und einmal schnell, dann ergibt dies ganze andere Anpassungen.
  4. Spezifität der Körperposition: Die antrainierte Kraft lässt sich nicht auf andere Körperpositionen transferieren.

Basierend auf dem SAID-Prinzip betrachten wir nun mit der Plank (Unterarmstütz) eine gängige Rumpfübung etwas genauer. Dazu die verlinkte Gegenüberstellung (oder die Impressionen unten).

Was, wenn nicht Planks?
Schlussendlich geht es darum, die Funktion der Rumpfstrukturen so zu trainieren, dass diese ihre Aufgabe in den vielfältigen Bewegungsmustern erfüllen können. Mit diesem Anspruch betrachtet widerspricht die Plank als Rumpfübung den trainingswissenschaftlichen Prinzipien komplett und ein Übertrag auf die alltägliche oder sportartspezifische Leistung kann kaum angenommen werden. Gleiches gilt für eine weitere beliebte Rumpfübung, den Sit up. Doch, wenn nicht Plank und nicht Sit ups, welches sind denn sinnvolle Rumpfübungen?

Diese Frage beantworten wir im ASVZ-Special «Workshop Rumpftraining» am 22. und 30. März 2022 sowie am 12. April im Sport Center Fluntern. Der Workshop ist gegliedert in einen Theorieteil, wo wir uns die Zusammensetzung der Rumpfstrukturen ansehen und sportwissenschaftliche Prinzipien kennenlernen. Danach wird es sehr konkret, denn für den zweiten Teil wechseln wir in die Sporthalle. Dort übertragen wir die Theorie in die Praxis und schauen uns gemeinsam Rumpfübungen an, welche einen tatsächlichen Transfer auf unsere alltäglichen und sportartspezifischen Bewegungen zulassen, sodass du deinen Rumpf zukünftig sinnvoll, gezielt und effizient trainieren kannst. Zur Anmeldung 22.03.2022 (ausgebucht) | Zur Anmeldung 30.03.2022 (ausgebucht) | Zur Anmeldung 12.04.2022

 

Take Home Messages

  • Die Rumpfstrukturen selbst erzeugen keine grossen Kräfte.
  • Sie sind vor allem dazu da, Kräfte effizient von den Beinen über die Hüfte zu den Schultern und zurück zu übertragen.
  • Weiter sind sie zentral beim Abfangen von Kräften, die von aussen auf die Extremitäten wirken. Dies ermöglicht eine optimale Kontrolle der Arme und Beine.
  • Die Rumpfstrukturen sind nur so «stark», wie diese mit dem restlichen Körper zusammenarbeiten; isoliertes Rumpftraining ist daher wenig zielführend.
  • Das SAID-Prinzip besagt, dass wir nur in diesen Aufgaben und in diesen Umweltbedingungen «besser» werden, denen wir unseren Körper aussetzen.
  • Gängige Rumpfübungen wie die Plank oder der Sit Up trainieren unsere Rumpfstrukturen nicht auf eine Weise, wie wir anschliessend einen Übertrag auf unsere Leistung erwarten können.

 

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