Corona – Fluch oder Segen? Betrachtungen aus der Sicht des Spitzensports

19. Mai 2020

Von: Marilen Matter Graf, Chefin Leistungssport Swiss University Sports / Koordinatorin ASVZ für Spitzensport und Studium

Der Sport hat in den vergangenen zwei Monaten gelitten. Wegen Schliessung der Anlagen und Unterrichtsstopp galt es, neue Formen von Training zu Hause und ohne Gleichgesinnte zu finden.

Mich freut, wie präsent die (tägliche) Bewegung auch auf Social Media ist, dies zeigt auf, wie essentiell der Sport für uns ist. Der ASVZ hat umgehend digital aufgerüstet und inspirierte die Sport-Community regelmässig mit neuen Videos. Erfreulich sind die ersten Lichtblicke, was das Sporttreiben im ASVZ und in anderen Trainingsinstitutionen per 11. Mai angeht, bekanntlich werden weitere Lockerungen der Restriktionen per 8. Juni erwartet. Ungewiss bleibt aber, welche (Sport-) Grossveranstaltungen ab wann und in welcher Form stattfinden können.

Unmittelbar davon betroffen ist der Spitzensport. Dieser ist seit zwei Monaten auf Eis gelegt und vielen Athletinnen und Athleten machten die Absagen sämtlicher Wettkämpfe und die Verschiebung der Olympischen Sommerspiele auf 2021 einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Was von ihnen von langer Hand geplant war, verbunden mit viel Abstimmungsarbeit und akribischer Vorbereitung, wurde von einem auf den anderen Tag nichtig und manch einer hat nun unverhofft viel freie Zeit.

Warum sich die Pandemie also nicht wenigstens auf der Ausbildungsebene zu Nutze machen und statt im Training und Wettkampf jetzt im Studium Vollgas geben? Diese Frage haben sich offenbar einige Athletinnen und Athleten gestellt, denn die Anfragen rund um Planung und Flexibilität im Studium waren laut den verantwortlichen Koordinationspersonen «Spitzensport und Studium» bei den diversen Anlaufstellen auf dem Zürcher Hochschulplatz (ETH Zürich, Universität Zürich und Zürcher Fachhochschulen) zahlreich.

Akademische Laufbahn auch für Leistungssportler/innen kein Wunschkonzert
Wichtig ist mir dabei folgende Klarstellung: Allgemein gültige «Rezepte» für eine erfolgreiche duale Karriere «Spitzensport und Studium» gibt es nicht und eine akademische Laufbahn ist definitiv kein Wunschkonzert. Um es mit den Worten von Dr. Andrea Schrott (Leitung Studienadministration und Verantwortliche Spitzensport und Studium ETH) zu beschreiben: «Jede Sportart und die persönliche Laufbahn sind geprägt von Eigenheiten und gleich komplex ist auch die Hochschullandschaft. Entscheidend ist deshalb eine individuelle Planung und Lösungsfindung damit «Spitzensport und Studium» möglichst passend geplant werden kann.» Erfreulich, dass es an den meisten der anerkannten und akkreditierten Schweizer Hochschulen solche Koordinationspersonen wie Andrea Schrott gibt. Sie arbeiten eng mit den Studiengangskoordinatoren zusammen und beraten bei Gesuchstellungen, welche sich auf die Weisungen des Prorektors stützen. Roland Müller, Studiengangskoordinator des Studiengangs Gesundheitswissenschaften und Technologie, berichtet von steigenden Anfragen, aber auch angestiegenen Fallzahlen von ausgewiesenen Spitzensportlern im Departement HEST. Er meint dazu: «Mir fällt immer wieder die spürbare Fähigkeit der Spitzensportler auf, vorausschauend zu planen. Damit heben sie sich oft von den «normalen» Neustudierenden ab.»

Meine Vermutung hat sich bewahrheitet: Corona und die dadurch entstandene freie Zeit aufgrund fehlender Trainingszeiten hat bei vielen Spitzensportlern das Bedürfnis geweckt, möglichst viel ins Studium zu investieren. Schrott bestätigt, dass einige die Chance nutzen wollten, um noch verspätet ins Frühjahrssemester einzusteigen. War das Semester allerdings bereits zu fortgeschrittenen, konnte diesen Wünschen leider nicht stattgegeben werden. Jedoch zeigt man sich aktuell gegenüber allen Studierenden sehr kulant bei Prüfungsan- resp. -abmeldungen. Fehlversuche werden ausnahmsweise annulliert. Das sind alles sehr positive Zeichen, welche darauf abzielen, den Studierenden möglichst wenige Nachteile durch diese Pandemie entstehen zu lassen.

Was mich beeindruckt und freut, ist, wie schnell die Hochschulen auf digitalen Unterricht umgestellt haben, sogar dort, wo sonst ausschliesslich Präsenz gefordert ist. Ausnahmslos wird aktuell mit Hochdruck daran gearbeitet, auch digitale Prüfungsformen zu erstellen. Das Studium geht dank Podcasts und anderen Online-Lösungen in virtueller Form weiter. Den Dozierenden blieb keine andere Wahl, als schnell auf den digitalen Zug aufzusteigen. Und mancher Kritiker hat wohl seine Zweifel abgelegt und anerkennt die positiven Seiten dieser neuen Form der Wissensvermittlung.

Liegt die Zukunft im ortsunabhängigen Studieren?
Die grosse Frage ist: Was wird bleiben? Wird freies, ortsunabhängiges Studieren auch in Zukunft möglich sein, auch an Hochschulen, deren Steckenpferd eine gewisse Präsenz ist? Dr. Andrea Schrott erhielt in der Tat so viele Anfragen wie noch nie, ob ein Fernstudium an der ETH möglich sei. Sie stellt klar und meint, dass dies an der ETH so radikal wohl nicht passieren wird.

Dennoch besteht eine leise Hoffnung, dass ein «sowohl als auch» die neue Normalität im Studienalltag werden kann, gerade wenn Präsenz phasenweise nicht realisierbar ist.

Nichtsdestotrotz darf der Spitzensport bereits die aktuell möglichen flexiblen Massnahmen an der ETH, der Universität Zürich und punktuell an den Zürcher Fachhochschulen wertschätzen. Es kommt nicht von ungefähr, dass einige Anwärter für einen Startplatz an der Heimuniversiade 2021 an diesen Institutionen studieren. So träume ich davon, dass der Hochschulplatz Zürich im Januar 2021 verdientermassen mit einer Goldmedaille an der Winteruniversiade 2021 belohnt wird!

 

Kontakte Koordinationspersonen «Spitzensport und Studium»

Eidgenössische Technische Hochschule Zürich ETHZ
Dr. Andrea Schrott (Leitung Studienadministration und Verantwortliche Spitzensport und Studium)

Universität Zürich UZH
Ulrich Frischknecht (Leiter Abteilung Studieninformation und Beratung und Verantwortlicher Spitzensport und Studium)

Zürcher Fachhochschulen ZFH
Matthias Fehlmann (Stabsstelle Diversity und Verantwortlicher Spitzensport und Studium, ZHAW)