Pro & Kontra: Sport am TV ist ein Segen, keine Sünde

13. Juli 2020

Pro

Claudio Zemp schwört auf Videoanalysen in der Komfortzone, Pausen und wohltuendes Sesselstudium. Die lebende Legende Beat Breu ist unerreicht, was dank Dachs auch die Generation Youtube weiss.

Wenn der Lockdown mir nicht gezeigt hätte, wie wertvoll das TV ist, würde ich wie früher Fernsehgucker als Coachpotatoes abstempeln. Als Warmduscher, Voyeure, Zaungäste, allesamt inaktives Publikum halt. Doch die Krise hat mich im unfreiwillig forcierten Heimtraining vom Gegenteil überzeugt.

Tagsüber ans Homeoffice gefesselt, ging ich jeden Morgen raus, um mit meinem inneren Schweinehund Gassi zu gehen. Egal, ob es regnete oder die Sonne schien. Das war ich mir schuldig, ich habe mir Bewegung angewöhnt. Nach der Runde war der Schweinehund ruhig wie eine Mieze und ich konnte das Tagwerk beginnen. Das war bei mir am Bildschirm. Zwischendurch, statt wie früher zu rauchen, zog ich mir ein Youtube-Video rein. Zum Beispiel den Hit «Beat Breu» der Gruppe Dachs. Da erfährt man nebenbei, wie Breu hindertsi die Alp d’Huez hinabfährt bis hin zum Zirkus, seinem gewagten Alterswerk, legendär halt.

Natürlich ist eine echte Pilateslektion über Mittag vor Ort immer noch besser als eine Yogastunde via Video. Andererseits wirkt ein Workout vor dem Bildschirm besser als nichts zu tun. Und ein Animator ist bei den Fitnessübungen motivierend. Aber man soll es nicht zu vergiftet betreiben. Videos sind ein ergänzendes Trainingselement. Am Feierabend lasse ich es auch einmal gut sein und gönne mir Entspannung. Es braucht nicht mal den TV dazu, ein Gewässer und eine Badehose reichen. Und das Handy lasse ich zuhause.

 

Kontra

Thomas Borowski hat in Corona-Zeiten bemerkt, wie wenig er TV-Sport vermisst und wie langweilig alte Sportaufzeichnungen sind. «Weg vom Bildschirm – raus in die Natur» lautet sein Sportmotto heute.

Und plötzlich war es still auf den Sportstätten dieser Welt. Kein Filz- oder Lederball wird von Millionären stundenlang in oder übers Netz befördert, kein Golfball rollt mehr in Nahaufnahme und Zeitlupe über das Green, und weder die Formel-1 noch -E dreht sinnentleert ihre Asphaltrunden. Mit dem Corona-Virus wurde Sport am TV quasi von einem Tag auf den anderen vom Bildschirm verbannt. Plötzlich ist der Zwang weg, eine Sportsendung nicht zu verpassen. Und wisst ihr was? Die neue Tatsache hat mich bis jetzt keine Sekunde gestört, im Gegenteil.

Die weltweite Pandemie hat doch sehr deutlich aufgezeigt, wie unnötig Sport am Bildschirm eigentlich ist. Zugegeben: Auch ich habe bei einer Fussball-Weltmeisterschaft oder während Olympischen Spielen mit Schweizer Beteiligung in der Vergangenheit schon gebannt die Liveberichterstattung am Fernsehen verfolgt. Aber wie die Geschehnisse im ersten Halbjahr 2020 zeigen: Die Menschheit und ich kommen auch ohne diese TV-Grossereignisse bestens über die sportfreien Bildschirmrunden. Erst durch die erzwungene Absenz der Fernsehbilder wird nämlich deutlich, wie gross die Zeitverschwendung für den Betrachter ist. Noch deutlicher wird das bei einem kurzen Blick auf die mangels Livesport ausgestrahlten Sportkonserven. Hier herrscht nur grosser Gähnalarm!

Mein Fazit der vergangenen Monate: Sport am TV ist definitiv kein Segen. Viel eher ist und war es eigentlich schon immer eine Sünde, wertvolle Lebenszeit vor dem Bildschirm zu verbringen. Anderen dabei zuzusehen, wie sie spielen, rennen, lenken und sich aktiv bewegen ist paradox. Chipsmampfendes Couchsurfen und Mattscheiben-Sportkonsum sind definitiv von Vor-Corona. Wer heute etwas auf sich hält, der nutzt die Gunst der Stunde und treibt selbst aktiv Sport. Und wer es trotzdem nicht ganz lassen kann: Handyaufnahmen des Geleisteten sorgen für ein Bildschirmfeeling der anderen Art.

 

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