Das ist ...

28. September 2020

Qi Gong

Manche Morgen sind ein Kampf. Manche sind ein Krampf. Und andere Morgen sind magisch.
An diesen bist du komplett im Lot, du spürst dich, von der Fusssohle bis zum Scheitel, dir fehlt nichts.

Um viertel nach sieben Uhr beginnt die Meditation, du bist barfuss und ganz bei dir, während im Spiegel des Ballettsaals du und eine Gruppe von Menschen versucht, sachte in den Tag zu starten.
Das ist Qi Gong. (sprich: Tschi Gong)

Weniger ist mehr.
Ein Öffnen und ein Schliessen, ein Auf und ein Ab, ein Steigen und ein Sinken.  
Du brauchst weder Speck, Ei noch Schinken zum Frühstück.
Westlicher Quark.
Die Hetze des Pendelns, das Strampeln nach der Kohle, das Sitzen im Büro, lass es sein.
Pillen spicken, Tasten drücken, in Bildschirme starren, Screens streicheln – Nein.

Im Qi Gong geht es darum, zu stehen.
Du bist eine Kiefer, die Wurzeln halten dich, der Wipfel wiegt im Wind.
Der Kopf ist ganz leicht.
Beuge dich, strecke deine Glieder, aber übertreibe es nicht.

Versuche die Arme zu öffnen, ohne dich zwischen den Schulterblättern zu verschliessen.
Alles ganz natürlich, du brauchst keine Kraft. 

Von aussen ist das unspektakulär; kein Hüpfen, kein Hauruck, kein Ächzen ist zu hören. Aber im Innern geht es ab. Stille Wasser sind tief. Und alles ist in Bewegung, auch wenn man es nicht sieht. Die Ellbogen drängen nach aussen. Wir zerzausen dem wilden Pferd die Mähne; schneiden mit der Handkante durch Wolken,
umarmen den Mond und drücken zwei Bälle ins Wasser. 

Nimm das Bild nicht zu konkret, nicht zu wörtlich, sagt Fredi, der Trainingsleiter.
Die Andeutung genügt dem Geist schon, um wach zu werden.

Fredi ist in die Rolle des Vorturners hineingerutscht.
Früher hetzte er durch die Wälder, vom Fundbürolauf bis zur SOLA-Stafette Solo lief er über alle Berge, bis er das Meditieren entdeckte.
Im ASVZ lernte er Qi Gong kennen und machte seine Ausbildung bei der «Medizinischen Gesellschaft f. Qigong Yangsheng».

Qi Gong ist verwandt mit Tai Chi und hat den gleichen Ursprung: die chinesischen Shaolin-Klöster.
Im Qi Gong gibt es mehr Wiederholungen und weniger anspruchsvolle Choreographien als im Tai Chi. Das macht es für Anfänger einfacher einzusteigen.

Es ist auch im Qi Gong alles drin, sagt Fredi, das Medizinische, der Kampf, die Meditation. Aber du gehst es langsam an, spürst das Anstrengende und das Leichte, machst jede Bewegung bewusst, mit der Zeit und mit der Übung wird es anspruchsvoller, du lernst, Verantwortung zu übernehmen, für deinen Körper und deine Gedanken.

Der Elefant kreist mit der Hüfte. Der Pfau schlägt das Rad. Der weisse Kranich zeigt seine Schwingen.
Lass die Schultern frei hängen.

Der Blick ist wach, aber er urteilt nicht.
Er nimmt alles wahr, ohne zu werten.
Und zum Schluss wird der symbolische Gürtel umgeschnallt, wieder ein Schliessen und ein Öffnen.

Nun bist du im Lot und bereit für den Tag.

 

Claudio Zemp

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