Pro & Kontra: Sportidole - ja oder nein?

13. März 2023

Pro

Thomas Borowski hat sich beim Erlernen von neuen Sportarten immer an den jeweiligen Top-Athletinnen und -Athleten orientiert. So sind sie zu seinen ganz persönlichen Idolen geworden.

Zuschauen und lernen, lautet mein Motto, wenn es darum geht, eine neue Sportbewegung in ihren Details möglichst fehlerfrei zu verinnerlichen. Wie läuft man am saubersten über die Hürden? Wie schlägt man den Ball beim Aufschlag am elegantesten über das Netz? Und wie lässt sich der Körper am einfachsten bewegen, um dem Golfball mit dem Schläger sauber zu treffen? Antworten auf diese Fragen gaben mir Hürdenstar Colin Jackson, Tennismeister Roger Federer und Golfikone Tiger Woods. Auch wenn die drei nichts davon wussten, boten sie mir während ihren aktiven Sportlerkarrieren den besten Anschauungsunterricht – und wurden so über die Jahre zu meinen Sportidolen auf Zeit.

Ihre nahe an der Perfektion ausgeübten Bewegungsabläufe stelle ich mir während des Sports als idealisierte Rollenmodelle vor. Sie helfen, den Sport zumindest im Kopf so gut auszuüben, wie vor dem inneren Auge. Und ob man es will oder nicht: Je härter man eine Sportart trainieren muss, um nur annähernd gut darin zu sein, desto mehr Hochachtung verdienen das Können der Profis und ihre Leistungen. Die Idolisierung verläuft dabei ganz von alleine und unbewusst. Je grösser das eigene Unvermögen im Nachahmen ist, desto höher steigt das Sportidol auf seinem Olymp – und das ist gut so! Denn wer sein ganzes Dasein einer Sportart widmet und Jahre hart dafür trainiert, der hat es verdient, für seine Leistung bewundert zu werden.

Darüber hinaus sind Sportidole in der Retrospektive erstaunlich oft willkommene Zeitzeugen. Oder wer von euch erinnert sich nicht an seine Jugendjahre, die unweigerlich mit Namen berühmter Sportlerinnen oder Sportler verbunden sind? Aus dem Laufe der Zeit sind Sportidole nicht mehr wegzudenken. Angefangen beim Pheidippides, dem ersten Marathonläufer im alten Griechentum, welcher der Legende nach den Langstreckenlauf berühmt machte, über Box-Ikone Muhammad Ali mit seinem legendären Spruch «Float like a butterfly, sting like a bee», bis hin zur Jahrhundert-Skirennfahrerin Mikaela Shiffrin – sie alle füllen Kapitel der Sportgeschichte. Deshalb glaubt mir: Gäbe es keine solchen Idole, wäre nicht nur unsere Sportwelt ein ganzes Stück langweiliger. Lang leben die Sportidole!

Kontra

Claudio Zemp

Claudio Zemp, hat sich die Idole abgewöhnt. Das Trainieren ohne Vorbilder ist zwischendurch ein Mü schwieriger als mit, aber genau das ist das Ziel der Übung.

Es gab eine Zeit, da hing auch in meinem Kinderzimmer ein Bravo-Poster. Michael Jackson war da, in Pose. Reisserisch hiess es daneben in der Schlagzeile, in fetten Lettern: “Seine Mutter sang im Kirchenchor!“ Das war wohl ein Versuch der Bravo-Redaktion, eine Brücke zwischen ausserirdischem Star und der Normalo-Realität eines Teenagers in unseren Breitengraden zu bauen. Und es funktionierte: Ich war wie Michael Jackson und träumte in den Tag, alles war möglich.  

Vorbilder sind gut und recht: Sie helfen uns, die Jugend zu überleben. Sie motivieren Millionen von Adoleszenten. Sie spornten auch mich an, ich hielt mich im Windschatten von Tony Rominger, jahrelang, auf dem Schulweg, klemmte mich ans Hinterrad von Indurain. Aber seit einiger Zeit habe ich die Idole abgeschafft. Der Kniff ist rein mental, ein Schalter wird umgelegt. Das ist ein verblüffend gutes Gefühl - eine Emanzipation. Trotzdem brauchte ich Jahre, bis ich das gecheckt habe: Ich darf selbst Vorbild sein. Dann bin ich das Original, mein eigenes Idol und habe keine Kopie mehr nötig.

 Natürlich falle ich ab und zu in alte Muster zurück, das gibt’s. Weil Idole halt eine krasse Macht haben: Bend it like Beckham. Aufschlagen wie Steffi Graf. Zaubern wie Magic. Oder starten wie Mujinga Kambunji. Sicher, ja. Doch da ich mir das, was ich an den Übersportlern und Mega-Athletinnen bewundere, einverleibt habe, brauche ich sie nicht mehr. Ich schenke ihnen ein Lächeln und fliege weiter. Völlig losgelöst, allein, ganz bei mir. Und allen davon. Versuch’s auch mal, ohne Idole, leg sie einfach ab. Es ist ganz leicht.

 

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