
World University Games – Sind das Olympische Spiele light?
Die FISU Summer World University Games (ehemals Universiade) sind nach den Olympischen Sommerspielen das weltweit grösste Multisportevent auf Leistungssportniveau. Sie finden alle zwei Jahre als Sommer- und Winterausgabe statt und umfassen sowohl olympische als auch ergänzende Sportarten. Teilnehmen dürfen leistungssporttreibende Studierende; veranstaltet werden die Spiele vom internationalen Hochschulsportverband FISU. Die nächsten Sommerspiele finden vom 16. bis 27. Juli 2025 im Ruhrgebiet statt. Im ASVZ-Blog gewährt Renato Maggi, ASVZ-Direktionsmitglied und Head of Delegation des Team Suisse, spannende Einblicke.
Welche Bedeutung haben die World University Games für studierende Athlet:innen?
Sie sind der Zielwettkampf für alle Athlet:innen, die eine duale Karriere verfolgen – also Spitzensport und Studium gleichzeitig meistern. Die World University Games bieten ein Umfeld, in dem Teilnehmende eine Multisportveranstaltung mit allem Drum und Dran erleben können. Dieses Drum und Dran ist durchaus vergleichbar mit den Olympischen Spielen; nur in einem etwas kleineren Rahmen, mit weniger öffentlichem Fokus und entsprechend geringerem Druck. Gerade das ermöglicht es den Athlet:innen, wertvolle Erfahrungen zu sammeln – sei es für die nächsten Grossanlässe wie die Olympischen Spiele oder für ihre berufliche Laufbahn.
Sind die Teilnehmenden eher junge Nachwuchstalente oder bereits etablierte Sportgrössen?
Teilnahmeberechtigt sind Personen zwischen 17 und 25 Jahren mit studentischem Hintergrund, die die Qualifikationskriterien ihrer jeweiligen Sportart erfüllen. Je nach Disziplin variiert der sportliche Reifegrad in diesem Alter stark: Im Kunstturnen etwa erreichen viele in diesem Alter ihre Leistungsgrenze, während im Fechten die Entwicklung oft noch im Gange ist. Auch der generelle Erfolg der Schweiz in der jeweiligen Sportart und das Engagement des jeweiligen Sportverbands spielen eine wichtige Rolle.
Gibt es dafür konkrete Beispiel?
Wenn wir im Tischtennis konkurrenzfähig sein wollen, müssen wir die drei besten Spieler:innen der Schweiz mitnehmen. Und selbst dann ist ein Weiterkommen gegen asiatische Top-Nationen sehr schwierig. In anderen Sportarten wie dem Schwimmen waren mehrfach Olympia-Athlet:innen Teil unseres Teams; die sind vorne mitgeschwommen und haben wie etwa Martina Van Berkel Medaillen gewonnen. Es hängt also von vielen Faktoren ab: von der Sportart, vom Leistungsniveau der Schweizer Athlet:innen und nicht zuletzt davon, wie stark die Verbände ihre Teilnahme unterstützen.
Inwiefern sind die World University Games vergleichbar mit anderen Multisportveranstaltungen wie beispielsweise den Olympischen Spielen?
Aus Sicht der Delegation – also eines Landes, das als Einheit auftritt – ist das Format tatsächlich sehr nah an den Olympischen Spielen. Im Gegensatz zu Welt-, Europa- oder Landesmeisterschaften, die sich auf eine oder wenige Sportarten fokussieren, steht bei den World University Games die Vielfalt im Vordergrund. Dort ist nicht alles auf eine einzelne Disziplin abgestimmt, was gewisse Einschränkungen, aber auch einzigartige Erlebnisse mit sich bringt.
Wie äussert sich das konkret?
Bei Multisportveranstaltungen wie den World University Games rücken logistische und organisatorische Aspekte – etwa Sicherheit, Transport, Verpflegung – viel stärker in den Vordergrund. Der gewohnte Komfort ist nicht in vollem Umfang gewährleistet, ebenso wenig eine individuelle Betreuung. Für viele Athlet:innen ist das neu – und genau darin liegt ein grosser Lernwert. Der Umgang mit diesen Herausforderungen gehört zu den wichtigsten Erfahrungen, die sie dort sammeln können.
Sind die World University Games also so etwas wie «Olympische Spiele light»?
Sportlich ist das Niveau etwas niedriger als bei den Olympischen Spielen. Auch finanzielle Mittel, Medienpräsenz, Beflaggung und öffentlicher Druck sind geringer.
Dafür herrscht eine lockerere Atmosphäre, was es zu einer idealen Umgebung macht, um erste Erfahrungen auf internationalem Parkett zu sammeln – ohne dabei gleich überfordert zu werden.
Es ist ein Erlebnis, das man bei keinem Reiseanbieter buchen kann.
Was sind Beispiele solche Erfahrungen?
Es sind vor allem die Emotionen: die eigenen und die der Teamkolleg:innen. Medaillen werden gemeinsam mit der Delegation gefeiert – sportartübergreifend. Aber auch Niederlagen und Enttäuschungen erlebt man hautnah mit. Dazu kommt der Austausch mit anderen Nationen – eine bereichernde Erfahrung, nicht nur für die Athlet:innen, sondern auch für die Delegationsleitung. Ein echtes Highlight sind jedes Mal die Eröffnungs- und Schlusszeremonien. Als Schweizer Delegation hinter der Landesflagge ins Stadion einzulaufen – das ist unbeschreiblich und hat eine unglaubliche Wirkung. Es ist ein Erlebnis, das man bei keinem Reiseanbieter buchen kann, man erlebt es – oder eben nicht.
Du warst einmal als Athlet dabei, bereits zehn Mal in der Delegation und dort heuer bereits zum fünften Mal als «Head of Delegation». Was reizt dich persönlich an den WUG?
Neben all dem genannten fasziniert mich die besondere, nicht alltägliche Situation. Ich arbeite mit vielen Personen zusammen, die nicht zu meinem regulären Arbeitsumfeld gehören – Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Coaches. Die Rahmenbedingungen sind oft herausfordernd: Es gibt ständig Probleme, die schnell gelöst werden müssen. Improvisation ist gefragt – was in diesem Setting nicht nur akzeptiert, sondern erwünscht ist. Ich empfinde es als sehr bereichernd, mit meiner Arbeit ein Umfeld zu schaffen, in dem andere ihre Bestleistung abrufen können – vielleicht sogar den Grundstein für eine grosse Karriere legen.
Ich erwarte, dass das Team Suisse mit grosser Begeisterung ins Ruhrgebiet reist und dort Vollgas gibt.
Die nächsten Summer World University Games finden vom 16. bis 27. Juli im Ruhrgebiet statt. Welche Erwartungen hast du als Head of Delegation?
Rhine-Ruhr stellt uns vor besondere logistische Herausforderungen: Die Delegation ist dezentral auf fünf Städte verteilt, was nicht nur den Transport erschwert, sondern auch das Teamgefühl beeinflussen kann. Normalerweise ist die gesamte Delegation gemeinsam untergebracht – auf eigenen Stockwerken. Dort lässt sich der «Swiss Spirit» besonders gut leben. Ich bin aber überzeugt, dass Deutschland gut organisierte Spiele auf die Beine stellen wird. Ich erwarte, dass das Team Suisse mit Begeisterung anreist und Vollgas gibt.
Und was erhoffst du dir medaillentechnisch?
Alle, die sich im Sport auskennen, wissen: Eine Medaille ist nie sicher – Überraschungen sind immer möglich, in beide Richtungen. Wenn wir den Schnitt der letzten Jahre halten wollen, würden wir mit zwei bis vier Medaillen zurückkehren. Das wäre richtig cool.